Malerei um der Malerei willen – die Zentralformen von Robert Schaberl

 

Sehen ist immer Präsenz und verlangt nach leidenschaftlicher Hingabe; sowohl des Schöpfers als auch des Betrachters. Trifft dies für die Farbfeldmalerei im Allgemeinen zu, so doch ganz im Besonderen auf die sich stetig wandelnden, sich neu erschaffenden Raumklang-Gebilde des 1961 im steirischen Feldbach geborenen Robert Schaberl. Dem Studium der Malerei am Mozarteum in Salzburg folgte 1985 ein Amerikaaufenthalt und dort fand die erste Auseinandersetzung mit der Bildidee statt, die ihn bis heute antreibt. Ausgehend von den zumeist schwarzen Ölgemälden der frühen 1990er zu den ebenso in Öl gemalten farbenfrohen monochromen Arbeiten der Berliner Jahre über die flirrend-lasierenden aus 60-70 Acrylschichten bestehenden Farbkörper bis hin zu den glänzenden, rotierenden aus Interferenz-Pigmenten bestehenden Farbkosmen der letzten Jahre zieht sich kontinuierlich sein Weg. Da es sich im Grunde um die konsequente Weiterentwicklung seiner Bildidee handelt, nennt Schaberl all dies „Zentralformen“. Seine Ausdauer wurde 1997 mit dem Staatsstipendium der Republik Österreich belohnt und 2007 mit dem Gewinn des Kunst am Bau-Wettbewerbs der TU Graz und dem damit verbundenen Auftrag der künstlerischen Gestaltung der 3000m2 großen Fassade des Neubaus.

 

Schaberls Kernfrage lautet: Wie agieren Materialien und Formen miteinander um einen einzigartigen vollendeten Klang entstehen zu lassen? (Die zweite Kernfrage lautet, wo er die besten Pilze findet, aber dies gehört zu einer anderen Form künstlerischer Auseinandersetzung.) Also, um diese simple, aber in der Konsequenz ihrer Folgen unabsehbare Frage nach dem vollendeten Klang zu beantworten, experimentiert er in seinem Wiener Laboratorium und schafft eine unmittelbare Malerei. Und ein Ende der Entwicklung ist nicht absehbar. Denn es gelingt dem Künstler die Spannungsschraube immer noch ein wenig weiter zu drehen und uns mit neuen Sinneseindrücken zu verführen, zu beglücken und in Bewegung zu halten. Indem er seit einigen Jahren Iriodin-Farben verwendet, zwingt er den Betrachter sich vor den Gemälden hin und her zu bewegen, denn je nach Sonnenstand, Lichtverhältnissen und Position des Betrachters offenbaren sich gänzlich unterschiedliche Farbtöne, die von hellem Blau über Grün bis hin zu Rostrot reichen können. Insbesondere in unserer Zeit des schnellen Wandels wird deutlich, wie wichtig Kunstwerke sind, die uns Bilderflutgeplagten zu einem entschleunigten Sehen und reflektiertem Handeln hinführen können. Der Künstler gibt uns mit seinen Zentralformen die Möglichkeit den gemalten Raum als Aggregatzustand zu entdecken, der durch den Betrachter im Prozess des Sehens zum Leben erweckt wird. Doch – und dies ist das Besondere und Einzigartige an der Betrachtung eines Werkes von Robert Schaberl – nur wer sich bewegt, erfährt den ganzen Reichtum der verborgenen Farb-Welten, das Pulsieren der Lasuren und die Öffnung des Raumes hin zum Farbklang. In den beiden hier gezeigten Werken zeigen sich gut die intensiven Strahlkräfte der Farben (einzeln und als Gesamtes), die grandiose Sprengkraft der räumlichen Wirkung, aber auch die ungeheure Faszination, welche Robert Schaberls Malerei um der Malerei willen auf uns ausübt.

 

 

©  Dr. phil. Harald Kraemer, Hong Kong / Basel 2014